09/05/2022 – Quo vadis, Aktienrente?

Im Koalitionsvertrag hat die aktuelle Bundesregierung das Vorhaben der sog. „Aktienrente“ niedergeschrieben, bei der ein Teil der Rentenbeiträge in einen Aktienfonds fließen soll. Die Absicht ist das bisher umlagefinanzierte gesetzliche Rentensystem durch Ergänzung einer kapitalgedeckten Komponente stabiler aufzustellen.

Eine Reform der Finanzierung der gesetzlichen Altersvorsorge ist nach Zahlen des statistischen Bundesamtes auch dringend geboten. Diesen zufolge kamen im Jahr 2020 auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 65 Jahren noch 37 Rentnerinnen und Rentner[1], im Jahr 2035 wird dieser sog. Aktienquotient den Prognosen nach zwischen 41 und 43 liegen[2].
Neben der demographischen Entwicklung im Allgemeinen ist „die Hauptursache für das Sinken der Erwerbspersonenzahl“ insbesondere das Ausscheiden der Generation der „Babyboomer“ aus dem Erwerbsleben in den kommenden 25 Jahren[3].
Eine Zunahme „der Erwerbsquoten der Älteren durch die bis zum Jahr 2031 vorgesehene stufenweise Verschiebung des Renteneintrittsalter auf 67 Jahre“[3] sowie die – mit Unsicherheit verbundene – Zahl der Erwerbstätigen durch Zuwanderung, können die Entwicklung u. U. etwas abmildern, werden den generellen Trend jedoch nicht umkehren.

Vorbild Schweden
Zur Verringerung der Belastung und Finanzierung der Rente für kommende Generationen gilt als eine Lösung das Konzept der Aktienrente nach dem Vorbild Schwedens. Zusätzlich zum Beitrag i. H. v. 16 Prozent des Bruttogehalts in die klassische, umlagefinanzierte Rente werden dort automatisch und verpflichtend weitere 2,5 Prozent in eine kapitalgedeckte Komponente eingezahlt. Nach Wahl entweder in einen von mehreren hundert privat gemanagten Fonds oder, wenn keine Wahl getroffen wurde, in den im Jahr 2000 eingeführten, staatlich verwalteten Aktienfonds AP7[4].
Letzterer ist mit 0,08 Prozent jhl. Kosten sehr günstig und mit einem seit Einführung durchschnittlichem Wertzuwachs von 11 Prozent p.a. auch sehr erfolgreich[1][4].
Zweifel, ob diese Rendite auch in Zukunft erreicht werden kann seien an dieser Stelle allerdings erlaubt. Die Entwicklung der Aktienmärkte seit 2011 war bisher beispiellos. Durch stark gestiegene und ggf. langanhaltend hohe Inflationsraten und damit verbundenem Druck auf die Zentralbank(en) zur Anhebung der Leitzinsen könnte die zukünftige Rendite geringer ausfallen.

Ist in Deutschland ein Staatsfonds – gar ähnlicher Natur – zu Ergänzung der gesetzlichen Altersvorsorge sinnvoll?
Theoretisch ja, mein Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel[4].

Wie könnte er finanziert werden?
Laut Koalitionsvertrag würde ohne zusätzliche Belastung der Beitragszahler ein kleiner Teil der bisher in das bestehende Rentensystem eingezahlten Beiträge in einen staatlich gelenkten Fonds fließen, der in Aktien und Anleihen investiert[5].
Hierzu würden vom Staat als zunächst einmaliger Zuschuss i. H. v. 10 Mrd. EUR zur Investition in Fonds an die Deutsche Rentenversicherung gezahlt werden.

Unabhängig davon, dass dieser Betrag bisher nicht einmal im Haushaltsentwurf eingeplant ist: Laut einer Modellrechnung von Jochen Pimpertz, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), wäre, ausgehend von einer Rendite zwischen drei und fünf Prozent, schon 2040 ein Fondsvermögen von 30 bis mehr als 50 Mrd. EUR zur Stabilisierung eines Beitragssatzes von angenommenen 22 Prozent und eines angenommenen Sicherungsniveaus von 46 Prozent notwendig[2].

Dem Modell zufolge müsste das Fondsvermögen im Jahr 2050, bei einer angenommenen Rendite von 5 Prozent und einem Sicherungsniveau von 43 Prozent, schon ein Volumen zwischen 230 und rund 380 Mrd. EUR, 2060 zwischen 518 (Rendite: fünf Prozent) und 864 Mrd. EUR (Rendite: 3 Prozent) umfassen[2]. Und selbst dann würde zu einem angenommenen Beitragssatz von 22 Prozent eine Finanzierungslücke zwischen 0,1 Prozent (2040) und 1,6 Prozent (2060) bestehen[2].

Bei Annahme eines langfristig abnehmenden Sicherungsniveaus vor Steuern und Beibehaltung der Untergrenze von 43% über 2030 hinaus, ergibt sich bei einer Beitragsobergrenze von 22 Prozent eine Finanzierungslücke im Jahr 2040 von 22,1 Prozent, 2060 von 23,6 Prozent[2].

Folglich werden die o. g. 10 Mrd. EUR als Kapitalstock alleine nicht ausreichen. Dieser muss, damit eine kapitalgedeckte Komponente einen signifikanten Beitrag zu Stabilisierung der gesetzlichen Rente leisten kann, innerhalb der nächsten 20 – 30 Jahren um mehrere hindert Milliarden EUR steigen.

Zur Finanzierung bieten sich u. a. Steuern, Beiträge und Kredite in Form von Bundesanaleihen an. Sollte der Weg über Beiträge gewählt werden, so würde Pimpertz einen ausschließlich durch die Arbeit finanzierten Zusatzbeitrag vorziehen, um die in den kommenden Jahren in Rente gehenden geburtenstarken Jahrgänge noch am Aufbau des Kapitalstocks für zukünftige Generationen zu beteiligen.

[1] Destatis: https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/_inhalt.html
[2] Sophie Crocoll, WiWo, 18.04.2022: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/neue-berechnungen-so-teuer-waere-die-geplante-aktienrente-wirklich/28251642.html
[3] Destatis: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/11/PD20_436_12411.html
[4] Charlotte Raskopf, Capital, 23.12.2021: https://www.capital.de/geld-versicherungen/der-schwedische-pensionsfonds-ap7-ein-vorbild-fuer-deutschland-121842
[5] Barbara Weber, Finanztip, 09.03.2022: https://www.finanztip.de/aktienrente/

05/12/2022 – No-Code als Heilmittel zur schnelleren Digitalisierung in der Finanzwelt?